Schon als ich als professioneller Illustrator die Surface-Geräte das erste Mal sah, wusste ich: das könnte für mich passen. Und es passte.
Mit dem Surface RT begann ich 2012 zu spielen, mit dem Surface Pro2 wagte ich 2013 den Einstieg und löste mein Wacom Intuos mit Dell-Notebook ab, blickte dann später neidisch auf das deutlich verbesserte Surface Pro3, und habe Ende 2015 mit dem 4er den Umstieg gewagt. Mittlerweile nutze ich als Nachfolger das Surface Pro6.
Rückblickend gab es viel Licht und gerade am Anfang leider auch viel Schatten. Insgesamt hat es meinen Workflow jedoch komplett verändert und meine Produktivität deutlich gesteigert. Doch der Reihe nach.
Mein Arbeitsumfeld
Das Gerät war anfangs ein Surface Pro 4 mit i7-Prozessor, 16 GB RAM und 256 GB SSD, heute ein Pro 6 mit gleicher Spezifikation. Zusätzlich habe ich eine 256 GB SD-Karte für “ausgelagerte” Dateien. Im Büro war das Surface anfangs über eine USB 3.0 Dockingstation von plugable an die Peripherie angeschlossen, heute ist die originale Microsoft Dockingstation. Unterwegs verwende ich es mit der ansteckbaren Tastatur. Zur Sicherheit habe ich zwei Stifte immer dabei und – weil es bequemer ist – eine Arc-Mouse.

Was mache ich mit dem Surface?
Alles! Ich habe keinen anderen Computer oder ein weiteres Tablet. Ob Gigabyte-große Photoshop-Dateien oder das Anhören von Musik, ob große Exceldateien oder das Zeichnen mit dem Stift, es ist mein Universalgerät. Vor allem für Seminare und Workshops finde ich es genial. Die Kombination aus Laptop, Tablet, Kamera, Touchscreen und Stift erlaubt Möglichkeiten, die ich nicht mehr missen möchte. Das ist moderne Computernutzung und digitales Leben. Alle digitalen Zeichnungen auf meiner Website sind übrigens mit einem Surface erstellt.
Was hat sich in meiner Arbeitsweise verändert?
Vorher, auch mit dem Surface Pro2, hatte ich noch viel auf Papier skizziert und noch nicht mit Photoshop gezeichnet. Letzteres ging auf dem Surface Pro2 nicht besonders gut (Prozessor zu schwach?) und ich habe in “leichteren” Programmen gezeichnet. Doch das Einscannen von Papier und das ewige Hin- und Her der Dateien mit Photoshop und anderen Programmen hat irgendwann genervt.
Heute zeichne ich alles mit Photoshop, ob Skizze, finale Zeichnung oder live auf Events. Dadurch hat sich mein Workflow vereinfacht und ist effektiver geworden. Photoshop bediene ich intuitiv mit vielen Tastatur-Shortcuts. Auch liebe ich es, unterwegs in Photoshop beliebige Pinsel zu testen und zu erstellen, und nicht nur eine standardisierte Vorgabe zu nutzen.
Die Leistung des Geräts reicht selbst für große Zeichnungen, die 0,5 bis 1 GB groß sind, locker aus und ich kann flüssig arbeiten. Zu wenige Rechenpower war noch nie das Problem. Zumindest bei dem, was ich mit Photoshop mache. Würde ich mehr mit Videoschnitt und Premiere arbeiten, das Surface Book mit eigener Grafikkarte wäre sicher die bessere Wahl.
Das Surface ist immer dabei, wenn ich unterwegs bin. Kundenwünsche können so jederzeit bedient werden. Schon oft habe ich in der Bahn, auf Flughäfen, im Flieger oder im Hotel gezeichnet, da es zeitlich nicht anders ging. In einem Blogeintrag vom Jan 2020 bin ich detailliert auf die zahlreichen Veränderungen der letzten 10 Jahre eingegangen.

Da ich nur ein Gerät habe, habe ich kein Problem mit “wo liegen welche Dateien” und “wie sind sie synchronisiert”. Alle wichtigen Daten liegen aus Sicherheitsgründen parallel in der Cloud (OneDrive) und alles wird automatisch auf einer externen Festplatte gesichert, wenn ich im Büro bin.
Insgesamt ist mein Reisegepäck wesentlich leichter geworden und wenn ich das Surface in der Tasche spüre, weiß ich: alles dabei!
Was könnte verbessert werden?
Liebe Microsoft, das erste Jahr mit dem 4er war mühsam. Ehrlich! Das interne Energiemanagement war eine Katastrophe. Angeblich waren die Treiber für den neuen Prozessor nicht von Intel bereitgestellt. Immer wieder meinte auch ein Task, er müsse zu Höchstleistung auflaufen und 100% CPU-Leistung in Anspruch nehmen: Leistung für anderes fiel in den Keller, Gerät wurde heiß und Akku leer. Wie auch immer, manchmal spürte ich ein Verlangen, das Gerät an die Wand zu werfen. Doch das ist glücklicherweise Geschichte! Wenn es auch mindestens 1,5 Jahr gedauert hat. Heute ist fast alles gut. Mit fast meine ich, dass man immer noch besser einmal am Tag neu startet und nicht nur die Energiesparoption zum “Ausschalten” nutzt. Das Surface läuft mit Neustart aller Prozesse einfach besser. Adobe und der Energiesparmodus vertragen sich immer noch nicht gut. Leider.
Mühsam war anfangs auch die Anpassung der Bildschirmskalierung bei Verwendung eines externen Bildschirms oder dem Wechsel zum reinen Surface. On the fly ging hier gar nicht, ein Neustart war die Regel. Mittlerweile sind die Kinderkrankheiten behoben, zumindest funktioniert es deutlich besser. Eine Zeitlang haben hier auch die Programme von Adobe nicht mitgespielt, obwohl es eine automatische Einstellung gab. Auch das ist mittlerweile gut. Kleinigkeiten zwar, aber Dinge, die nervig sein können. Heute bin ich immer wieder fasziniert, wenn ich das Surface von der Dockingstation abziehe oder vom großen auf den kleinen Bildschirm umschalte und sich die Programme neu skalieren. Es dauert ein paar Sekunden, aber dann kann ich weiterarbeiten.
Die Akkulaufzeit war beim Zeichnen mit Photoshop und dem Pro4 eher auf 3 h beschränkt. Der i7-Prozessor ist zwar schnell, aber er zieht auch Strom. Musikhören könnte ich problemlos den ganzen Tag, aber beim richtigen Arbeiten mit Photoshop ist nach zwei bis drei Stunden Schluss. Mit dem Pro 6 ist die Laufzeit wesentlich besser geworden und ich komme auf 4-5 Stunden mit Zeichnen in Photoshop. Was beim 4er extrem störte: es zog selbst beim richtigen Ausschalten noch Strom. Nach einer Woche war der Akku leer, auch wenn man es nicht benutzt hatte. Das ist beim 6er vorbei. Ich hatte einmal mit dem 4er im Urlaub das Netzteil vergessen und wollte nach einer Woche meine Umsatzsteuervoranmeldung machen: es war noch Strom für eine halbe Stunde vorhanden. Den Rest musste ich am Smartphone erledigen.
Natürlich wird das Surface beim Zeichnen auch warm. Je komplexer der Pinsel in Photoshop, desto wärmer. Ein Programm ohne jegliche Strichnachbearbeitung wird von der CPU nicht bemerkt, je mehr Strichglättung, Drucksensitivität, Simulation von Aquarell oder Öl etc. desto rechenintensiver und desto wärmer wird das Gerät. Daher würde ich zum Zeichnen immer nur das Modell mit i7-CPU und aktiver Kühlung empfehlen. Aber auch damit ist es mir an sehr heißen Tagen schon passiert, dass die Bildschirmoberfläche zu warm wird und erratisch auf die Stifteingabe reagiert. Hier hilft nur ein Platz am Ventilator oder ausschalten und warten.

Das Zusammenspiel mit meiner ersten Dockingstation von plugable war leider nicht optimal. Mindestens einmal am Tag beim Zeichnen reagiert der Touchscreen oder der Stift nicht mehr. Bei ersterem muss ich neu starten, bei letzterem reicht es oft, die Batterie aus dem Stift kurz herauszunehmen. Die Probleme hatte ich nicht, wenn ich nur mit dem Surface ohne Peripherie zeichnete, daher vermutete ich die Dockingstation als Übeltäter.
Ab Februar 2019 nutze ich die originale Dockingstation von Microsoft. Die alte Dockingstation war der Übeltäter gewesen. Angeblich lag es an den Interferenzen, die vom USB-3.0-Anschluss ausgingen.
Das Energiemanagement mit einfach zuklappen und wieder damit arbeiten kann gut funktionieren, muss aber nicht. Eine Regel konnte ich nicht entdecken. Das soll bei Apple-Geräten angeblich immer tadellos sein… Mit dem Surface Pro6 funktioniert es hier deutlich besser, zumindest ein paar Mal. Dann sollte man doch wieder neu starten. Und wie ich schon sagte, die Adobe-Programme mögen es eher nicht.
Die Position des Ein-Aus-Schalters direkt neben der Leiser-Lauter-Taste ist unpraktisch. Passt man nicht auf, schaltet man das Gerät aus. Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt und taste mich vorsichtig an den richtigen Schalter bzw. habe ich ihn in den Systemeinstellungen deaktiviert. Aber intuitiv geht anders. Einmal hatte ich das Geräte im Vortrag aus Versehen ausgeschaltet, als es auf dem Rednerpult lag und mit der linken oberen Ecke gegen das Wasserglas stieß. Das war sehr peinlich gewesen.
Updates, ob von Microsoft oder von Adobe, sind immer wieder eine Überraschung. Vor allem bei größeren Updates von Adobe wird eine Woche später regelmäßig wieder eine Korrektur nachgeschoben, um Fehler zu beheben. Wird hier nicht mehr getestet?
Die Abteilung von Microsoft, die an der Stift-Verwendung arbeitet, ist manchmal etwas zu forsch. Plötzlich werden mit einem Update die Eigenschaften des Stiftes verändert, ohne dass man darauf hingewiesen wird. Nach mühsamer Suche in Foren stößt man dann auf die Info. So konnte man plötzlich in Photoshop mit dem Stift nicht mehr zeichnen, sondern nur das Bild verschieben. Stunden habe ich gebraucht, bis ich im Internet die Einstellung fand, mit der ich den Normalzustand wieder herstellen konnte: ein langer Befehl für die Registry in der Kommandozeile. Kundenorientierung geht anders, liebe Microsoft! Die ellenlange Liste empörter Nutzer war eine eindeutige Sprache. Mein Lernen daraus: nie mehr vor einem wichtigen Termin ein Update einspielen. Gottseidank ist dies die letzten Jahre nicht mehr vorgekommen.
Wer gerne zeichnet sollte man sich unbedingt die App “Surface” aus dem MS Store holen, um damit die Druckempfindlichkeit des Stiftes besser steuern zu können. Das Zeichengefühl ist in der Stufe 3 viel besser als in der Stufe 6, die der Standardeinstellung entspricht.
Eine wirkliche Verbesserung für mich persönlich wäre Bluetooth an der abnehmbaren Tastatur oder – fast noch besser – ein flexibler Adapter. Wenn ich zeichne, stört die fest angedockte Tastatur und ich muss sie abnehmen. Um die vielen Tastatur-Shortcuts in Photoshop dennoch bedienen zu können, brauche ich eine weitere externe Bluetooth-Tastatur. Im Büro habe ich das sowieso. Unterwegs habe ich eine kleine klappbare Tastatur. Aber das müsste halt nicht sein. Früher gab es sogar mal einen Bluetooth-Adapter für die Tastatur, aber er war offenbar nicht gefragt genug. Schade.
Und zu guter Letzt: die Software. So schön Win 8.1 auf dem Tablet war, so ästhetisch schwierig ist Win 10 bzw. war es lange Zeit. Mittlerweile sind die Einstellungsmöglichkeiten derart vielfältig geworden, dass es für alles eine andere Variante gibt. Man muss nur die Zeit haben, die vielen Personalisierungsoptionen auch wirklich zu nutzen.
Aber jetzt genug gemeckert.
Was ich an dem Gerät schätze
Es ist leicht, es ist schnell, es ist trotz allem sehr zuverlässig, es ist innovativ, es sieht gut aus, die Haptik ist ein Genuss und das Zusammenspiel mit Stift, anderen Programmen und die Verwendung als Tablet wird mit jedem Update besser. Der Bildschirm ist sagenhaft, und allein den Touchscreen wollte ich nicht mehr missen, auch für das ganz normale Computing. Es ist für mich beruflich das perfekte Gerät und ich wüsste nicht, wie man es im Form-Faktor wesentlich verbessern könnte. Ich verwende es gerne nur als Tablet zum Surfen oder Videos schauen, oder mit Tastatur zum Arbeiten. Ich hatte das 4er gut 5 Jahre lang und es wäre immer noch auf der Höhe der Zeit, würde ich den Akku tauschen lassen. Größer sollte es nicht sein, und auch nicht kleiner. Trotz aller anfänglichen Kinderkrankheiten, es hatte mich nie im Stich gelassen.

Würde ich es wieder kaufen?
Ja. Ein Surface oder ein ähnliches Gerät eines anderen Herstellers. Aber definitiv wieder die gleiche Geräteklasse. Wie ich schon sagte, perfekt für meine Bedürfnisse und mittlerweile funktioniert es richtig gut. Man sollte sich aber im Klaren sein: Es ist ein ziemlich flacher Rechner. Das Surface kann vieles, was ein Laptop kann, aber braucht man sehr viel Leistung und Grafikpower, sollte man auf ein anderes Gerät wie das Surface Book oder ähnliches ausweichen. Die Gesetze der Physik gelten auch beim Surface. Der Formfaktor kann bei der derzeitigen CPU-Technologie keine Maximalleistung anbieten.
Kann ich es empfehlen?
Das ist schwierig. Wer einen Laptop sucht, sollte auch einen kaufen. Wer ein Tablet sucht, sollte ein Tablet kaufen. Wer das perfekte Gerät zum digitalen Zeichnen braucht, sollte ein iPad oder ein Wacom kaufen. Das Surface ist ein Zwitter und – wie ich schon sagte – ein Kompromiss aus zwei Welten, wenn auch ein ziemlich gelungener, doch kein perfekter. Auch sollte man etwas nerdig veranlagt und mit Technik vertraut sein sowie die Bereitschaft haben, alte Gewohnheiten über Bord zu werfen und sich neue Methoden anzueignen. Wer erwartet, es wie ein normales Laptop zu verwenden, wird etwas enttäuscht sein, so wie der Benutzer, der ein Tablet such. Es ist eine neue Geräteklasse und verlangt Umdenken in der Benutzung. Wer dazu bereit ist und digitaler Pionier sein möchte, für den ist es ein klares Ja.
P.S. Vor ein paar Jahren habe ich auf einer Konferenz einen Wissenschaftler mit einem Surface Book gesehen. Er hat es entweder als Laptop benutzt oder umgeklappt als Tablet und in OneNote handschriftliche Notizen gemacht. Er hatte offenbar viel Routine in der Benutzung und es hat ihm Spaß gemacht. Für mich wäre es zu groß und damit auf Reisen zu unpraktisch. Dennoch ein cooles Gerät. Aber noch mehr hatte mich die Freude in der Benutzung beeindruckt!
Update am 15. Februar 2021
Mittlerweile nutze ich ein Surface Pro6 seit Ende 2019. Viele kleine Probleme sind plötzlich beseitigt. Die Akkulaufzeit ist wesentlich besser. Der Bildschirm erscheint mir etwas reaktiver, die Tastatur ist deutlich besser, alles andere ist gleichgeblieben. Ich vermisse etwas die Klammer am Stift, dafür hält der Stift besser magnetisch am Gerät, aber das ist mein persönlicher Eindruck. Die Arc-Maus ist deutlich leichter klickbar und macht richtig Spaß. Nervige Probleme wie plötzlich schmierender Stift, nicht reagierender Stift, Verlust der Drucksensitivität wurden irgendwann beseitigt. Entweder Microsoft oder Adobe haben reagiert. Danke!
Wer Fragen hat, kann mich übrigens gerne anschreiben.