7 Kriterien für gutes Graphic Recording

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Graphic Recording wird immer stärker nachgefragt wird und entwickelt sich von einem Nischen- zu einem Mainstreamprodukt im Bereich der künstlerischen Dienstleistung. Aber es ist nicht standardisiert, es gibt keine Qualitätsreferenz, es bleibt jedem persönlich überlassen, ob das entstandene Werk gut ist oder nicht.

Gibt es Kriterien für gutes Graphic Recording?

Nicht jedes Live-Bild wird gleich gut, auch nicht von mir. Manche meiner Werke gefallen mir sehr gut, andere mäßig, wenige gar nicht. Graphic Recordings sind auf ihre ganz spezielle Art kleine Kunstwerke, die ohne große Vorbereitung und spontan entstehen. Es gibt – normalerweise – keinen Entwurfsprozess, keine Vorzeichnung, kein langes Überlegen. Und dennoch…es gibt ein paar Kriterien, die ich persönlich für sehr wichtig finde:

1. Die optische Gliederung und das Layout erleichtern die Lesbarkeit

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Viele Graphic Recordings erscheinen auf den ersten Blick konfus. Ein Wimmelbild. Dies ist der Spontanität geschuldet, die Teil des oft unkontrollierbaren Entstehungsprozesses ist. Daher muss mit optischen Elementen gearbeitet werden, um das Auge zu leiten. Fehlen diese, ist der Nutzen als visuelles Protokoll fragwürdig. Das Graphic Recording ist für Außenstehende nutzlos, da nicht mehr lesbar.

Daher: die Führung beim Lesen muss intuitiv passieren. Gleiche Inhalte müssen als solche erkennbar sein. Hier kommen viele Wahrnehmungsgesetze ins Spiel und man kann mit Illustration, mit Schrift, mit Farbe, Form und Größe arbeiten. Selbst leerer Raum und Abstände sind wichtig. Leerer Raum ist meist schwierig, da wir als Graphic Recorder oft mit dem Platz kämpfen, aber die Wirkung von “WEISS” ist es wert.

Graphic Recordings, die mich persönlich begeistern, lassen schon aus der Distanz einen Aufbau erkennen und sind nicht nur ein buntes Durcheinander. Eine große Überschrift, eine großes Key-Visual, eine Grundgliederung, die sich optisch durch das Recording zieht, mit all diesen Elementen kann man arbeiten. Wenn man es zusätzlich schafft, das Graphic Recording als einheitliche Bildlandschaft aufzubauen, in der alle Themen ihren Platz finden, dann ist das ein besonderer Glücksfall, aber auch das Ergebnis von guter Planung und spontaner Kreativität.

2. Die Typographie gliedert und schmückt

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Die Schrift ist nicht nur das Mittel zum Festhalten der Information, sondern auch zur Gliederung der Inhalte. Überschriften müssen als solche erkennbar sein; auch unterschiedliche Gliederungsebenen. Die Hauptschrift muss dem Bild Frische und Eleganz verleihen, und gut lesbar sein. Ein schlechtes Schriftbild kann ein Graphic Recording negativ beeinflussen. Ein tolles Schriftbild, kann schon rein optisch begeistern. Ein gutes Schriftbild kann man üben. Wie auch gutes Graphic Recording!

3. Die Farbe bringt zusätzliche Ordnung

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Klimakonferenz in Bonn

Die Farbe hat neben den Illustrationen fast den größten Einfluss auf die emotionale Wirkung eines Graphic Recordings. Der Unterschied zwischen einer reinen Strichzeichnung und dem farbigen Endresultat ist gewaltig. Dabei darf die Farbe nicht verwirren, sondern muss zur Gliederung der Inhalte beitragen und gleichzeitig emotional ansprechen. Man kann hier mit flächigen Farben im Hintergrund arbeiten und mit farbigen Markern. Was man wie macht, bestimmt der persönlichen Stil. Aber immer gilt: Farbe ist eine Ebene der visuellen Kommunikation!

4. Die Illustrationen erzählen eine Geschichte

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Vielen Auftraggebern geht es nur um die Bilder. Aber für mich stehen Bilder und Text nebeneinander. Bilder können unterschiedlich interpretiert werden, nur die Kombination aus Bild und Text ist eindeutig. Illustrationen müssen den Text unterstützen und sind damit das schwierigste beim Graphic Recording. Immer auf die Schnelle das richtig Bild zu finden ist extrem anstrengend und klappt nicht jedes Mal.

Illustrationen können einfache Bildanker sein oder die Situation reflektierende Cartoons bis hin zu Bildlandschaften im Hintergrund, in die der Text eingebettet wird. Die Illustrationen bestimmen zu einem großen Teil den Erfolg eines Graphic Recordings. Es hilft, für bestimmte Situationen vorgedachte Visualisierungen zu haben. Dennoch sollte man es nicht übertreiben, sonst werden alle Recordings einander zu ähnlich. Spontane Kreativität ist hier der Schlüssel.

5. Zitate helfen dabei auf den Punkt zu kommen

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Auch wenn der Inhalt stark konzentriert wird, die persönliche Sicht des Graphic Recorders kommt immer hinzu. Dennoch – der Inhalt muss immer noch sachlich korrekt und richtig interpretiert sein. Das zu beurteilen ist schwer und selbst für Teilnehmer einer Tagung oft unmöglich.
Daher sind für mich möglichst viele Originalzitate der Teilnehmer wichtig. Diese sind eindeutig und fassen oft perfekt zusammen. Dabei ist es ist wichtig zu wissen, auch für den Auftraggeber, dass man meist nur 1/6 oder 1/8 der gesprochenen Inhalte aufnehmen kann. Daher lebt ein Graphic Recording von der Reduktion. Je besser auf den Punkt gebracht, desto besser ist das Ergebnis. Je mehr Zitate, umso näher wird man am tatsächlich wichtigen Inhalt bleiben.

6. Die Stimmung muss reflektiert werden

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Graphic Recordings können alle oben genannten Kriterien erfüllen, aber – warum auch immer – sie begeistern nicht. Sie knüpfen keine Verbindung zum Kunden. Andererseits, Graphic Recordings können vieles falsch machen, aber dennoch begeistern sie den Betrachter. Was hier der genaue Grund ist, konnte ich noch nicht genau herausfinden. Ich denke, es ist die Frage, wie gut kann ich als Graphic Recorder die Stimmung reflektieren. Oftmals sind es Sätze oder kleine Cartoons, die Begeisterung hervorrufen, die ich an dieser Stelle nicht erwartet hätte.

Was ich oft für mich feststelle: ist die Atmosphäre gut, überträgt sich das auf mich; das Graphic Recording wird gut und begeistert. Umgekehrt trifft es genauso zu: ein schlechter unmotivierter Vortrag wird auch kein gutes Graphic Recording.

7. Seinen eigenen Stil finden und den Mut zu haben, Fehler zu machen

Für mich müssen viele Elemente gleichzeitig erfüllt sein, um ein gutes Graphic Recording zu schaffen. Es ist eine Kunst für sich, die viel Erfahrung verlangt. Eine Kunst, die anstrengend ist und oft an den Rand der Erschöpfung geht. Ich lerne mit jedem Auftrag neu hinzu. Verändere meinen Stil. Werde besser. Probiere Neues aus. Sehe mir die Arbeiten der Kollegen an und lerne davon.

Jeder Graphic Recorder hat seinen persönlichen Stil mit seinen persönlichen Stärken und Schwächen. Stimmt die Chemie zwischen Kunde und Recorder, ist man bereits auf einem guten Weg.

Das Allerwichtigste ist die Leidenschaft, etwas Großartiges zu schaffen, etwas, das Menschen begeistert. Und der Mut, Fehler zu machen und mit Kreativität und Erfahrung zu korrigieren. Dann kommt der Erfolg von alleine.

Auf ein gutes Gelingen,

Wolfgang Irber