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Digitales Arbeiten

Als Illustrator im Microsoft Windows-Ökosystem: gut oder schlecht?

Wer Illustration studiert hat, landet automatisch im Apple-Ökosystem. Für mich als Quereinsteiger war Apple keine Alternative, ich blieb bei Microsoft. Doch wie sind die Erfahrungen?

Vor gut 8 Jahren fing ich mit der professionellen Illustration an. Davor hatte ich ausschließlich Windows als Betriebssystem verwendet. Selbst mein erstes Smartphone war auf Basis von Windows CE gewesen.

Mit dem Einstieg in meine Selbständigkeit 2009 wurde mir von allen Kreativen dringend geraten, auf ein Apple-System zu wechseln. Sonst könne man nicht vernünftig arbeiten. Und natürlich habe ich mir auch die Macs angesehen. Die Bildschirme fand ich beeindruckend, aber mir widerstrebte der Eintritt in ein geschlossenes und zugleich teures System; und damals war es auch für mich so nicht finanzierbar. Trotz aller Warnungen, ich blieb bei Windows. Bis heute. Doch wie sieht mein Workflow aus? Und habe ich es bereut?

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Meine Geräte

  • Mein PC: Microsoft Surface Pro 4 als Tablet und Notebook in einem (256 GB SSD, 16 GB RAM, 128 GB SD)
  • Mein Smartphone: Lumia 950
  • Mein zweites Smartphone: Lumia 950xl, verwende ich eher als kleines Tablet

Am Anfang steht das Marketing

Meine Website verwalte ich über WordPress und arbeite dabei wechselweise mit Edge oder Chrome. Manchmal funktioniert Chrome einfach besser, aber ich finde Edge schöner und er wird immer weiter optimiert. Zumindest auch ein Browser, der vernünftig mit Touch bedient werden kann. Die Google-Adwords-Website wird ebenfalls darüber konfiguriert, auch wenn mich Google extrem penetrant zu Chrome überreden will.

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Ohne soziale Medien geht nichts mehr: mit Apps oder über den Browser

Meine Social-Media-Kanäle werden über Apps auf dem Desktop (Instagram, Facebook, Xing) oder direkt über Edge bedient (Linkedin). Das gleiche gilt auch für mein Handy. Adwords läuft dort in Edge zwar etwas langsam, aber ich habe über den Browser die volle Funktionalität, falls wirklich mal etwas verändert werden muss. Besondere statistische Auswertungen mache ich nicht. Alles ganz einfach.

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Das gute alte Notizbuch ist immer noch gleichwertig im Einsatz

Verwaltung von Kundenanfragen und Projekten

Für Email verwende ich ausschließlich Outlook und das Pendant auf dem Handy. Wenn ich mein Tablet wirklich als Tablet nutze, verwende ich gerne die hauseigene Email-App, die für Touch viel besser geeignet ist.

Kundennotizen im Telefonat mache ich immer per Füller in ein kleines Buch. Danach fotografiere ich die Seite mit dem Handy mit Office-Lens und speichere sie in OneNote. Dorthin kommen alle weiteren Notizen und was ich sonst noch an Informationen und Bildern für ein Projekt benötige. Auch die Stundenkontrolle läuft in diesem File auf OneNote über eine einfache Tabelle. Einfach und praktisch. Oft schreibe ich mit dem Stift in OneNote oder mache sogar erste Skizzen.

OneNote
In OneNote treffen sich die analoge und die digitale Welt

Aufgaben landen alle in Microsoft To-Do. Einfach zu bedienen und synchronisiert mit Outlook. Cool finde ich die Intergration mit dem Stift, wenn ich eine Aufgabe wirklich “abhaken” kann.

Kalendereinträge oder Erinnerungen diktiere ich immer häufiger über Cortana. Das geht erstaunlich gut und macht Spaß. Cortana ist wie eine persönliche Sekretärin für mich. Noch ist meine Frau nicht neidisch.

Angebote erstellte ich in Adobe Illustrator. Ich habe mir hier ein schickes Formular erstellt, das sich für meine Bedürfnisse besser eignet als Word. (UPDATE Mai 2018: Angebot und Rechnung werden alle in einer Kombination aus Excel und Word erstellt. Ist einfacher)

Live-Illustration auf Tagungen und unterwegs

Alle wichtigen Information, die ich für ein Live-Event benötige und vom Kunden geschickt bekomme, landen auf OneDrive in meiner Wolke, so dass ich ohne Probleme von überall her darauf zugreifen kann. Hier kommt auch das große Lumia 950XL zum Einsatz: nicht zu groß und nicht zu klein. Wie ein kleines Notizbuch. Schade, dass es keinen Stift erlaubt. Aber ein Galaxy wäre mir hier – ehrlich gesagt – zu teuer.

Wenn digitale Live-Illustration gefragt ist, verwende ich das Surface Pro4 mit Photoshop. Zwar glauben immer alle Kunden, dass ich auf einem iPadPro arbeite, aber daran habe ich mich gewöhnt. Nur ein CEO war vor kurzem ganz erstaunt und meinte: “Müssen denn nicht alle Kreativen eigentlich mit Apple arbeiten?” Und das war letztendlich der Grund für diesen Blogeintrag gewesen.

Auf Reisen schätze ich es, mit dem Surface mittlerweile immer und überall an meinen Zeichnungen arbeiten zu können. Ob im Zug, im Flieger, in der Lounge, im Hotel, alles ist möglich. Nur die Zeitblöcke sind oftmals zu kurz, aber gerade für Skizzen oder kleine Korrekturen ist es genial. Abends im Hotel sind mit mehr Zeit schon ganze Kundenaufträge erledigt worden.

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Erste Skizzen im Flieger: dann ist das Fliegen auch nicht so langweilig

Illustration am Schreibtisch

Erste Kreativ-Skizzen zur Ideenfindung werden meist noch auf Papier mit Bleistift erstellt, manchmal auch in OneNote, doch dann geht es sehr schnell in Photoshop weiter (UPDATE Mai 2018: mittlerweile ist alles digital). Früher habe ich verschiedene Programme verwendet, jetzt nur noch Photoshop. Das Hin und Her zwischen verschiedenen Programmen hat mich zum Schluß genervt. Am Ende bin ich ja doch final bei Photoshop gelandet. Am Anfang war ich von der Komplexität in Photoshop erschlagen, aber jetzt schätze ich die Flexibilität und die Möglichkeiten durch die Optimierung für Tochscreens. Für Vektorgraphiken oder die Zusammenstellung komplizierter Photoshop-Zeichnungen verwende ich den Illustrator. Diese Kombination funktioniert für mich am besten.

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Von der ersten Skizze zur finalen Zeichnung: hier alles digital

Das leidige Thema: Steuer und Finanzen

Die Rechnungsstellung erfolgt über eine Kombination aus Excel und Word. Das Nachhalten der Rechnungsnummern und eine erste Prognose zum Einkommen findet in Excel statt.

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Excel für die Finanzverwaltung, und nur Excel!

Für die Steuer und die Ausgaben- und Einnahmenkontrolle verwende ich ausschließlich Excel. Alle anderen Versuche habe ich mit der Zeit eingestellt. Die Kontodaten exportiere ich als CVS von meiner Bank und lese sie in Excel ein. Dann werden die Einträge entsprechend kategorisiert, die UST berechnet und mit Pivot-Tabellen ausgewertet. Für die monatliche Umsatzsteuervoranmeldung etc. nutze ich die Online-Formulare von Elster.

Alle weiteren Listenerfassungen und Auswertungen werden immer in Excel gemacht.

Entspannung für unterwegs

Im Zug nutzen ich für Music die Groove-App. Meine gesamte Musiksammlung habe ich mal von CD auf MP3 gebracht und auf OneDrive abgelegt. So kann ich sie mit Handy und PC von überallher abrufen. Neue Lieder kaufe ich fast ausschließlich über den Windows-Store oder Amazon. Meine letzter CD-Kauf liegt Jahre zurück. Streaming habe ich getestet, aber (noch) mag ich es nicht.

Im Auto höre ich über einen einfachen Podcastreader die für mich relevanten Radiosendungen. Bei langen Zugfahrten wird es auch mal ein ARD-Tatort.

Auf dem Smartphone

Trotz des vielbeschworenen App-Gaps für Windows Phone habe ich noch keine relevante App vermisst. Zwar verschwinden immer mehr Apps aus dem Store, dafür sind immer mehr Webseiten über den Edge-Browser gleichwertig oder fast gleichwertig aufrufbar. Da mittlerweile fast jede Website auch für den mobilen Zugang geschrieben ist, ist der App-Gap fast irrelevant geworden, zumindest für mich.

Die Auto-Navigation läuft über die normale Kartenapp. Die Ziele werden vorher am Desktop als Favorit hinterlegt und hinterher am Handy einfach aufgerufen. Gerne schaue ich mir vorher die Verkehrsdichte an und auch die eine oder andere Verkehrskamera.

Insgesamt verwende ich auf dem Handy 29 Apps und 10 Links über Edge als App-Ersatz.

Fazit

Bisher habe ich noch nie an einen Wechsel gedacht. Läuft einfach. Auch bin ich noch nie im Stich gelassen worden. Klar gibt es Bugs in der Software, aber welche Software hat keine? Kennen muss man sie halt. Seit 2 Jahren verwende ich jetzt Windows 10 auf Tablet und Handy und das System hat eine beeindruckende Reifung erlebt. Der Beginn war allerdings auch eher katastrophal gewesen. Gottseidank ist das Vergangenheit.

Auch wenn ich etwas “nerdig” veranlagt bin: mittlerweile ist Software im allgemeinen so umfangreich und komplex geworden, dass eine spielerische Neugierde unbedingt notwendig ist, um das Potential auch nur annähernd nutzen zu können. Gerade die verstärkte Fokussierung auf Stift und Touch in Windows 10 kommt mir als Illustrator sehr entgegen. Mittlerweile habe ich sogar 2 Stifte, da ich ohne Stift völlig verloren wäre, würde ich einen verlieren.

Insgesamt ist mein Beruf als Illustrator viel technischer, als ich je gedacht hätte. Habe ich am Anfang noch viel mit Papier gearbeitet, ist das eher die Ausnahme. Das Surface mit Stift ist für mich DAS digitale Schweizer Messer, das Handy das mobile Pendant mit Fotoapparat. Beide zusammen erlauben mir maximale Flexibilität, würde nur eines ausfallen, ich wäre in großen Schwierigkeiten. Der administrative Rahmen inklusive Marketing ist komplett digitalisiert, die Cloud mein Backbone.

Meine persönliche Erfahrung: nicht das Betriebssystem macht den Kreativen, sondern was man kreativ daraus macht. Würde ich zu Apple wechseln, wäre mein Workflow heute technikbedingt ganz anders: ich bräuchte durch die fehlende Touchscreen-Unterstützung neben einem Macbook zum digitalen Zeichnen noch ein IpadPro oder ein externes Wacom-Tablett. Das Reisegepäck würde wieder schwerer werden. Daher ist für mich derzeit das Apple-Ökosystem keine Alternative. Ein Umstieg würde mir sehr schwer fallen. Das leichte, aber leistungsfähige Surface, der Stift und der Touchscreen in Verbindung mit Windows 10 kommen meiner Arbeitsweise sehr entgegen. Meinen Verbleib im offenen Windows-System habe ich bisher nie bereut.  Mal sehen, was die Zukunft bringt. Was ich mir für die Zukunft wünschen würde: weniger Bugs.

Der ewige Streit zwischen Apple und Microsoft ist für mich bedeutungslos. Jeder soll das System nutzen, mit dem er am besten zurechtkommt. Die Antwort auf die Frage im Titel lautet daher: für mich ist es gut.

Wolfgang Irber am Surface
Im Surface ist alles dabei, was ich zum Arbeiten brauche

Von Dr. Wolfgang Irber

Wolfgang ist Illustrator im B2B-Bereich und überzeugter Surface-Pro-User. Er visualisiert Visionen & Strategien, leitet und illustriert Workshops, begleitet Führungskräfteseminare, unterrichtet Sketchnoting und erklärte die kreative Nutzung eines Surface in Kursen.
Sein wichtigste Arbeitsmittel ist immer der Stift. Ob auf Papier oder digital auf seinem Surface. Im Blog, auf LinkedIn, Instagram, Twitter und Facebook berichtet er mit spitzem Surface Pen regelmäßig über ganz persönliche Erfahrungen aus der Welt der Illustration und der Digitalisierung.