Kategorien
Digitales Arbeiten

Wie die Digitalisierung mein Arbeiten verändert hat – ein ganz persönlicher Rückblick aus 10 Jahren Illustration

10 Jahre sind eine kurze und doch auch eine lange Zeit. Mit Papier habe ich angefangen, heute ist alles digital. Ein Erfahrungsbericht.

Vor kurzem saß ich – mal wieder – lange am Flughafen und hatte ausgiebig Gelegenheit, meine Mitmenschen zu beobachten. Fast jeder war intensiv mit irgendeinem elektronischen Gerät beschäftigt und in seiner eigenen Welt. Mir wurde bewusst, wie sich alleine meine Arbeitsweise und mein Reise-Equipment in den letzten 10 Jahren in allen Bereichen verändert hat.

Wie sieht meine technische Ausstattung aus?

Wenn ich unterwegs bin, habe ich drei digitale Geräte dabei: ein Microsoft Surface Pro 6 als Tablet & PC, ein Android-Smartphone (Pixel 3a XL), eine Smartwatch von Garmin. Musste man früher nur an seinen Ausweis und das Geld denken, kommen heute noch die vielen Ladekabel und Adapter für alle Lebenslagen dazu. Zur Sicherheit habe ich immer zwei Stifte für das Tablet dabei. Einen zu verlieren würde eine Katastrophe bedeuten. An Software nutze ich Office 365 (Word, Outlook, Powerpoint, Excel) mit Adobe CC (Photoshop, Illustrator, Fresco, Premiere, Afterworks) auf Windows 10 sowie zahllose Apps auf dem Smartphone. Wenn ich unterwegs in Photoshop zeichne, verwende ich die faltbare Tastatur, um die vielen Tastaturkürzel nutzen zu können. Den Dial habe ich nach anfänglichen Fremdeln schätzen gelernt, da ich die Strichstärke der digitalen Pinsel viel schneller anpassen kann. Mit dem Miracast-Dongle verbinde ich mich drahtlos mit Beamer oder Bildschirm.

Früher, zu Beginn meiner zeichnerischen Karriere, saß ich als Illustrator meist zu Hause und zeichnete.

Heute bin ich viel unterwegs, illustriere live auf Veranstaltungen, halte visuelle Spontanvorträge, leite Workshops und Seminare zum kreativen Zeichnen, arbeite mit Kunden zusammen, sitze in Telefonkonferenzen und und und.

Präsentieren: kein Vortrag mehr ohne digitalen Stift

Wie die Digitalisierung mein Arbeiten verändert hat - ein ganz persönlicher Rückblick aus 10 Jahren Illustration 1

Früher gab es nur Powerpoint und statische Slides mit mehr oder weniger viel Animation. Alles musste genau vorbereitet sein. Wollte man etwas dynamisches Leben einbringen, blieben nur Video, Flipchart oder Whiteboard.

Heute präsentiere ich mit dem Tablet viel flexibler und dynamischer, ergänze ich mit dem Stift einzelne Elemente, zeichne hinein, unterstreiche, umkreise, ziehe Linien. Oft verwende ich OneNote, wenn ich etwas erklären möchte. Oder ich wandle die Präsentation in ein PDF um, um noch besser mit dem Stift schreiben zu können und noch besser zoomen zu können. Eine Art Prezi light. Vor kurzem habe ich eine Präsentation mit Photoshop gemacht, um direkt hineinzuzeichnen und auch Ebenen ein- und ausblenden zu können. Gab es früher nur wenige Möglichkeiten, ist heute die eigene Kreativität die eigentliche Beschränkung. Gerne verwende ich die Kamera am Surface, um etwas live zu zeigen.

Das Flipchart aus Papier verwende ich nur noch für Informationen, die immer sichtbar sein müssen. OneNote ist mein neues Flipchart, perfekt ausgeleuchtet und zoombar.

Ganz neu kommt seit ein paar Monaten vermehrt die Option hinzu, den eigenen PC drahtlos via Miracast mit der Präsentation zu verbinden. Mehr und mehr Firmen haben Miracast-fähige Projektoren oder Großbildschirme. Auch das erlaubt wieder ganz neue Möglichkeiten in der Präsentation. Schon mehrfach hatte mich diese drahtlose Option gerettet. Goodbye HDMI-oder VGA-Kabel!

Dokumentieren: ein Leben mit Cloud und Kamera

Wie die Digitalisierung mein Arbeiten verändert hat - ein ganz persönlicher Rückblick aus 10 Jahren Illustration 2

Früher hatte ich zwar auch schon mit dem Smartphone fotografiert, und davor mit der digitalen Kamera. Aber es war immer schwierig, die Fotos sofort mit Anmerkungen zu versehen oder überhaupt am PC zu haben und spontan in einem Vortrag zu verwenden.

Heute ist jedes Foto sofort mit der Cloud und meinem Tablet synchronisiert. Ich kann mit dem Stift Anmerkungen machen, einen Teil ausschneiden und gleich per Email versenden. Alles in wenigen Minuten, was früher eine aufwendige Aktion war. Viele Fotos, in denen es nur um die Information geht, mache ich direkt mit dem Tablet. Die Foto-App ist gleichzeitig ein Scanner-to-Go, sehr praktisch. Zeichnungen und Flipcharts von Seminarteilnehmern kann ich so direkt in der Präsentation verwenden.

Notieren: OneNote in allen Lebenslagen

Notizen mit dem Surface und OneNote erstellen

Früher hatte ich nur ein Notizbuch aus Papier und immer die Angst es zu verlieren.

Heute nutze ich fast ausschliesslich mein Smartphone, schreibe in OneNote oder in To-do oder in meinen Kalender. Notiere ich noch auf Papier, kopiere ich die Seiten meist mit der Kamera direkt nach OneNote. Alles ist sofort auf allen anderen Geräten verfügbar und kann nicht verloren gehen. Wenn nötig, kann ich Bilder, Links, Videos, Dateien dazufügen. Mit allen Geräten kann ich jederzeit alles einsehen, zur Not auch über das Web von einem fremden PC. Handschrifliche Notizen in OneNote werden durch OCR erkannt und indexiert, d.h. ich kann danach suchen. Selbst Text in eingefügten Bildern aus dem Internet wird erkannt und kann gefunden werden. Was für eine Erleichterung. Nicht nur das Notieren wurde besser, sondern auch das Finden.

Habe ich wenig Zeit und bin in einer ruhigen Umgebung, nutze ich mehr und mehr die wirklich fabelhafte Diktierfunktion in Word, Outlook oder OneNote. Es macht Spaß zuzusehen, wie die Intelligenz in der Cloud den Text erkennt und optimiert.

Protokollieren: bis dass der digitale Stift zum Glühen kommt

Wie die Digitalisierung mein Arbeiten verändert hat - ein ganz persönlicher Rückblick aus 10 Jahren Illustration 3

Früher waren Mitschriften immer auf Notebook und Tastatur oder auf Papier und Stift beschränkt.

Heute schreibe ich sehr viel mit dem digitalen Stift in OneNote. Findet es während eines offiziellen Meetings statt, kann ich mit einem Klick die Meetinginformationen aus Outlook importieren und habe alle Kontaktdaten vorliegen. Bin ich in schwierigen Konferenz-Vorträgen, die ich visualisieren muss, nehme ich den Vortrag in OneNote auf und schreibe gleichzeitig handschriftlich auf dem Surface mit. Später kann ich mir die wichtigen Teile wieder anhören, in dem ich einfach auf den Teil der Notizen klicke, wo ich den Originalton wieder hören möchte.

Die Akkulaufzeiten erlauben mittlerweile einen ganzen Tag leicht zu überleben und auch das Standby-Verhalten meines Surface Pro6 hat sich zum alten Pro4 deutlich verbessert.

PDF: alles ohne Papier

PDF-mit-dem-Stift-unterschreiben

Früher musste ich das PDF ausdrucken, die Anmerkungen machen bzw. unterschreiben, dann wieder einscannen und an den Kunden zurückschicken.

Heute bekomme ich ein PDF vom Kunden, notiere die Anmerkungen direkt digital in das PDF oder exportiere es nach OneNote, gedruckt wird nichts mehr. Die Anmerkungen selbst mache ich meist mit dem Edge-Browser oder, wenn es komplizierter sein muss, mit Drawboard.

Kollaborieren: es lebe die Cloud

Früher musste man Dokumente mühsam per Email hin und herschicken. Konferenzen waren videolos rein auf den Ton beschränkt.

Heute liegen alle Dokumente in der Cloud und können leicht von jedermann bearbeitet oder eingesehen werden. Dazu braucht es keine Spezialsoftware mehr. Zusammenarbeit über die Cloud ist mittlerweile Standard. Telefonkonferenzen finden fast immer über Skype for Business oder Teams statt. Man kann sich in die Augen schauen oder Information teilen. Ein großer Vorteil ist die gemeinsame Zeichensoftware Whiteboard, ein digitaler Notizblock für die Zusammenarbeit über das Netz und auch über Teams verfügbar.

Habe ich früher noch große Druckdateien zum Teil per USB-Stick an meine Kunden geschickt, bekommen Sie heute einen Link, den ich direkt aus meiner Cloud heraus generieren kann. Gerade die gemeinsame Nutzung der Cloud eröffnet ganz neue Möglichkeiten in der Zusammenarbeit mit anderen Agenturen.

Illustrieren: total digital

Wie die Digitalisierung mein Arbeiten verändert hat - ein ganz persönlicher Rückblick aus 10 Jahren Illustration 4

Früher, als ich vor 10 Jahren mit der Illustration anfing, steckte die digitale Illustration in den Kinderschuhen. Meist wurde doch noch klassisch auf Papier gezeichnet.

Heute hat sich das völlig geändert. Die Möglichkeiten in der digitalen Welt sind fast unendlich und erlauben ein wesentlich effektiveres und kundenorientierteres Arbeiten. Selbst auf Tagungen wird von mir zunehmend digital mit dem Tablet gezeichnet. Nur noch selten verwende ich mein große Graphic Wall. Es gibt viele sehr gute Zeichenprogramme für welche Plattform auch immer. Ich selbst bin bei Photoshop und Fresco gelandet. Erste Ideen skizziere ich meist in OneNote, da ich dort auch alle anderen Informationen das Kunden gebündelt vor mir habe. Anfangs nutzte ich noch mein Notebook mit externem Wacom-Board, ab 2012 bin ich komplett zum Zeichnen auf die Surface-Geräte umgeschwenkt.

Brainstorming: Papier adé

Brainstorming mit dem Surface

Früher konnte ich ohne Papier für die erste Ideensammlung nicht arbeiten. Alles lag vor mir auf einem großen Tisch.

Heute kopiere ich alle Information, die ich für ein Projekt brauche nach OneNote, ergänze handschriftliche Notizen, mache erste Skizzen. Inspirationen findet man im Notfall auch auf Google. Nur noch ganz selten, weiche ich auf Papier aus. Eigentlich nur, wenn ich viele Flächen gleichzeitig brauche, die ich sehen muss.

Reisen: digital, aber immer mit Backup

Früher hatte ich alle wichtigen Dokumente auf Papier im Gepäck.

Heute ist alles digital. Die Zugkarte, das Flugticket, die Hotelbuchung: digital gekauft und digital vorliegend. Da ich immer Smartphone und Tablet dabei habe, habe ich immer auch die notwendige Redundanz, falls doch mal etwas schief gehen sollte.

Womit ich wohin fahre, wann ich fahre, wo ich übernachte, steht alles in meinem Kalender, den ich mit meiner Frau geteilt habe. So weiß sie immer, wo ich bin, ohne dass ich viel erzählen muss.

Wie die Digitalisierung mein Arbeiten verändert hat - ein ganz persönlicher Rückblick aus 10 Jahren Illustration 5

In jeder neuen Stadt musste ich früher Karten kaufen, um mich vor Ort zu orientieren. Heute kann ich bereits zu Hause genau sehen, wohin ich muss, wo ich parken kann, etc und mit einem Klick alles an mein Smartphone senden. Im Auto verwende ich nur noch das Smartphone für die Navigation. Google ist – leider – unschlagbar, was Aktualität und Genauigkeit angeht.

Insgesamt ist mein Gepäck deutlich leichter geworden. Ohne Rucksack war das 2,5 kg schwere Notebook nicht zu tragen. Mit Ladekabel waren es eher 3 kg. Heute steckt mein Surface in einer Umhängetasche und schafft mit Ladekabel gerade 1 kg.

Der einzige Wermutstropfen ist die Reisekosten-Abrechnung zu meinen Kunden. Alles muss fein säuberlich aufgeklebt mit Anmerkungen versehen und als PDF verschickt werden. Dass der Zwischenschritt immer noch analog ist, ärgert mich jedesmal.

Bezahlen: Bargeld war gestern

Bezahlen-mit-Smartphone

Früher musste ich immer ausreichend Bargeld dabei haben, und natürlich die EC- und die Kredit-Karte.

Heute, seit ich das digitale Bezahlen auf meinem Smartphone und meiner Smartwatch eingerichtet habe, brauche ich fast kein Bargeld mehr. Es dient nur noch als Sicherheitspuffer. Im nicht-EU-Ausland hebe ich oft nicht einmal mehr Geld ab und bezahle alles digital. Die Kreditkarte brauche ich nur noch beim Einchecken im Hotel und für den Mietwagen. Beim Smartphone fallen über die digitale Mastercard von Paypal keine Gebühren an, selbst nicht bei Kleinbeträgen. Und zunehmend mehr Läden wollen kein Bargeld mehr. Im Ausland sowieso und in Deutschland immer öfter. Der Trend ist eindeutig.

Website und Marketing: nur noch digital

Früher hatte ein Illustrator eine Vertretung, eine Agentur, die mit dem Kunden sprach und die Aufgaben verteilte. Viele meiner Kollegen hatten vor 10 Jahren auch keine eigene Website. Kunden kamen ausschließlich über eine Agentur bzw. die Repräsentanz.

Heute läuft die Werbung über Google-Adwords oder man wird direkt über Google gefunden. Gute SEO-Kenntnisse sind immer gut. Eine eigene Website ist Pflicht. Mit dem Kunden spreche ich selbst und rechne auch meist direkt ab.

Das Marketing ist dagegen deutlich komplizierter geworden, da viele Kanäle bedient werden müssen: Instagram, Facebook, Twitter, Linkedin, Xing und nicht zuletzt der eigene Blog auf der eigenen Website. Habe ich früher meine Website noch selbst programmiert, nutze ich heute ein CMS wie WordPress und kann mich allein auf die Inhalte konzentrieren. Wo einerseits zwar Zeit eingespart wird, muss andererseits mehr Zeit in die vielen Möglichkeiten investiert werden.

Schreiben auf dem Surface in Excel

Abrechnung und Steuer: ohne Excel geht nichts mehr

Früher habe ich alle Rechnungen auf Papier geschickt. Für die Steuer wurden Unmengen an Papier für Ausdrucke verwendet.

Heute ist die Rechnung in 95% der Fälle das geschützte PDF. Die Steuer läuft vollständig über Elster online, die Datensammlung basiert auf Excel, die Auswertung über Pivot-Tabellen, alle digitalen Rechnungen, die ich erhalte, werden nicht mehr gedruckt, sondern in der Cloud gespeichert. Allein mein Fahrtenbuch ist noch rein analog, das ist einfach praktischer.

Resümee

Es hat sich viel verändert. 10 Jahre sind keine lange Zeit, haben aber eine fundamentale Veränderung darin gebracht, wie ich und wahrscheinlich die meisten Freiberufler mittlerweile arbeiten. Auch die Produktivität hat sich deutlich gesteigert.

Ob man sich dabei im Microsoft-, Apple- oder Google-Universum bewegt dürfte keine Rolle spielen. Entscheidend ist der eigene Work-Flow und die genutzte Software. Papier ist selten geworden, nur die Nutzung des Stifts ist bei mir dank dem Microsoft Surface gleich intensiv geblieben.

Die nahtlose Synchronisation der Programme zwischen allen Geräten leistet dabei einen wesentlichen Beitrag zum digitalen Arbeiten. Ohne die Cloud wäre alles viel mühsamer und auch nicht mehr zeitgemäß. Ich bin gespannt, was sich in den nächsten Jahren noch verändern wird.

Auch wenn es viel Licht gibt, es gibt auch etwas Schatten. Der Fortschritt ist so schnell, nur mit viel Interesse und kreativer Neugier kann man hier noch Schritt halten. Aber, das hält einen jung. Alt werden wir von selbst.

Von Dr. Wolfgang Irber

Wolfgang ist Illustrator im B2B-Bereich und überzeugter Surface-Pro-User. Er visualisiert Visionen & Strategien, leitet und illustriert Workshops, begleitet Führungskräfteseminare, unterrichtet Sketchnoting und erklärte die kreative Nutzung eines Surface in Kursen.
Sein wichtigste Arbeitsmittel ist immer der Stift. Ob auf Papier oder digital auf seinem Surface. Im Blog, auf LinkedIn, Instagram, Twitter und Facebook berichtet er mit spitzem Surface Pen regelmäßig über ganz persönliche Erfahrungen aus der Welt der Illustration und der Digitalisierung.