Ich war als Messe-Zeichner für die SAP-TechEd-Messe in Barcelona gebucht. Drei Tage, 3000 Entwickler, viele Hallen. Meine Aufgabe: zeichne ein Bild, das den Spirit der Developer’s Garage auf der Messe einfängt.

Tag 1: Graphic Recorder an Muse: suche Inspiration und Ideen
Die Zeichenfläche war definiert. Und mehr Information gab es dazu nicht. Es war also kein klassisches Graphic Recording, eher eine Messe-Illustration, aber nicht von einzelnen Vorträgen, sondern der gesamten Atmosphäre. Damit bestand ein wesentlicher Teil meiner Arbeit darin, die Information zu finden, denn sie kam nicht zu mir. Muse küss mich!
Wo ist mein Plan?
Mein Einstieg in die Materie war die Keynote des CTO. Seine Begeisterung für den Weltraum setzte für mich die visuelle Metapher. Glück gehabt, denn ich liebe den Weltraum, da er zeichnerisch gut umzusetzen ist. Schon schwebten Raumschiffe und Planeten vor meinem inneren Auge.
Nach der Keynote sah ich mir die gesamte Messe und vor allem die Developer’s Garage an, die ja mein Auftraggeber war. Mit vielen Personen sprach ich, um das Wesen der Messe zu verstehen. Dann kam das große Überlegen: was macht Sinn zu visualisieren, was kann ich machen, was kann ich auch in drei Tagen schaffen, was würde mir gefallen, wäre ich der Auftraggeber?
Nebenbei stellte sich noch ein kleines Problem heraus: die Zeichenfläche war eine abwischbare Whiteboard-Folie, auf der keiner meiner Neuland-Stifte funktionierte, nur mein schwarzer Edding war zu gebrauchen. Dann muss es eben ein schwarz-weißes Bild werden. Nur sparsam konnte ich Grau für den Schatten und als Akzentfarbe Gelb verwenden. Immer und immer wieder musste ich bei Grau und Gelb mit dem Stift über die Folie gehen, bis etwas zu sehen war.

Da ist mein Plan
Nach einigem Überlegen entschied ich mich für eine grobe Dreiteilung des Bildes: a) Vision aus der Keynote, b) Aktivitäten um die Developer’s Garage und c) die Partnerfirmen.
Am Ende des ersten Tages hatte ich die Kernaussagen der Keynote und ein Barcelona-Banner als Fußzeile gezeichnet. Womit ich nicht gerechnet hatte: sobald ich anfing zu zeichnen, kamen Besucher neugierig auf mich zu und verwickelten mich in ein Gespräch. Das verlangsamte meinen Zeichenfortschritt, aber förderte gleichzeitig mein Wissen um die Messe immens.

Tag 2: Die Developer’s Garage oder an was Entwickler so richtig Spaß haben
Am zweiten Tag fügte ich die wesentlichen Elemente der Developers-Garage hinzu, einer Art Spielwiese für Programmier-Freaks. Und etwas völlig Ungeplantes begann meinen Zeichenfortschritt zu verlangsamen: Fernsehteams entdeckten die Wand als willkommenen Hintergrund für ihre Interviews. Immer wieder musste ich weichen und “durfte” Pause machen. Und zusätzlich begann eine steigende Zahl von Besuchern ein Selfie mit dem Bild im Hintergrund zu machen oder fragte mich, ob ich sie fotografieren würde. Das Bild entwickelte sich zu einem Magneten, ich wurde zum Fotografen im Nebenjob.

Tag 3: Marktstände der Partner und das Finale
Am Morgen des dritten Tages kam mein Auftraggeber und meinte, ich hätte beim Enterprise-Raumschiff links oben einen Fehler gemacht. Ein wichtiges Element hätte ich vergessen. Please, fix it! Jetzt war die Whiteboard-Folie von Vorteil. Mit Spiritus ließ sich der Edding problemlos abwischen. Und schon war der Platz für ein zusätzliches Triebwerk der “digital platform” vorhanden.
In die verbliebene weiße Fläche fügte ich die Markstände der SAP-Partner hinzu. Was ist der Mehrwert in der Zusammenarbeit? Was macht ihr besonders? Für die verbliebenen kleinen Zwischenräume wählte ich Besucherzitate. Was denken Besucher über die TechEd? Zwei Stunden vor dem offiziellen Ende der Messe war die Zeichenfläche maximal gefüllt. Jetzt wartete ich auf die finale Zahl der programmierten Apps gegen 18 Uhr, um sie in den Zähler unterhalb der Developers Garage zu schreiben. In der Wartezeit kam noch das Finish: wo kann ich noch mehr Schwarz hinzufügen, um es besser zu gliedern oder wichtige Inhalte besser hervorzuheben? Dann war meine Arbeit getan. Mission completed!

Mein Fazit: Vertrauen schafft Kreativität
Es hat gut getan, völlig frei zu entscheiden, was ich zeichnen darf. Und anders als bei einem Graphic Recording konnte ich planen, überlegen und nur wirklich wichtige Information hinzufügen. Wie sagte eine Besucherin: “Faszinierend, die ganze Messe auf einen Blick!” Ich hatte die Zeit, vieles liebevoll zu illustrieren und eine in sich geschlossene Bildlandschaft zu schaffen. Alleine die Überschrift der “Developers Garage” hatte eine Stunde gedauert.
Drei Tage war ich auf der Messe, das sind insgesamt 27 h. Zieht man 6 h Pausen ab, bleiben 21 h für die Arbeit. Davon war ich gut die Hälfte der Zeit mit der Informationsbeschaffung und der Planung beschäftigt, die andere Hälfte mit der Zeichnung. Damit hat es rund 10 h gedauert, das Bild zu schaffen. Ein realistischer Wert.
Das Feedback der Besucher hatte mich über die drei Tage motiviert. Durch die vielen Anmerkungen zu Details der Inhalte wurde das Bild wesentlich verbessert. Manche kamen jeden Tag vorbei, um den Fortschritt zu sehen. Was mit dem Bild im Anschluß passiert ist kann ich nicht sagen. Angeblich hat man versucht, die Folie abzuziehen und in Walldorf wieder aufzuhängen. Aber ob das funktioniert hat, werde ich vielleicht irgendwann einmal erfahren.
Auf alle Fälle danke ich meinem Auftraggeber für das Vertrauen. Ich denke, er war ganz zufrieden. Und ich fühlte mich zwischenzeitlich wie ein Astronaut im All…
