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Graphic Recording

Graphic Recording trifft auf Wissenschaft – ein ganz besonderer Auftrag an der Universität Erlangen-Nürnberg

Graphic Recording von wissenschaftlichen Vorträgen verlangt aufgrund der Informationsfülle eine andere Herangehensweise: erst einmal zuhören, dann nachdenken und erst dann zeichnen.

Die Freude war groß, als mich die Friedrich-Alexander-Universität in Erlangen-Nürnberg als Graphic Recorder für die 2-tägige Jubiläumsveranstaltung zur 275-Jahr-Feier auswählte. Mal wieder nach langer Zeit Uniluft schnuppern, die ich schon etwas vermisse. Als Ex-Naturwissenschaftler war ich gespannt auf zwei Tage in Englisch gehaltene wissenschaftliche Vorträge aus unterschiedlichen Disziplinen, hoffentlich allgemeinverständlich aufbereitet für ein gemischtes Publikum.

Die Panik

Meine Zeichenwand war aufgebaut, das Papier aufgezogen, der erste Vortrag wurde gehalten. Voller Erwartung zückte ich den Stift, doch bereits nach den ersten Minuten stieg Panik in mir hoch: Um Gottes Willen, wie soll ich das visualisieren? Der Eröffnungsvortrag war eine wissenschaftliche Medizin-Präsentation aus der molekularen Physik und Biologie, gespickt mit Abkürzungen. Was ist die Kernaussage? Was ist das Thema? Ich verstand das Konzept, aber von den Details nicht viel. Eine Idee musste her. Schnell.

simulation
Die Rolle der Simulation in Wissenschaft und Gesellschaft

Die Lösung

Normalerweise visualisiere ich live. Hören und zeichnen. Ganz untypisch nahm ich hier Stift und Buch zur Hand, setzte mich auf den Stuhl neben meiner Zeichenwand und begann – angestrengt zuhörend – Notizen zu machen. Langsam erschloss sich mir der Inhalt. Mehr intuitiv als rational überlegend zeichnete ich daraus einen Cartoon mit leicht ironisch-humorvoller Reflektion der Kernaussage oder zumindest dessen, was ich dafür hielt.

Als ich damit fertig war und der erste Vortrag zu Ende, merkte ich: das kann die Lösung sein. Meine Panik legte sich. Zwar war ein “normales” Graphic Recording aufgrund der Informationsfülle und Komplexität hier völlig unmöglich. Aber die Reduzierung auf einen Cartoon gab mir die Freiheit anfangs zuzuhören und Ideen zu entwickeln. Die beste Idee wurde dann von mir visuell umgesetzt. Jeder Vortrag dauerte mindestens 30 min und gab mir ausreichend Zeit: 15 min zuhören und dann zeichnen.

Das Ergebnis

So habe ich an jedem Tag 3 Meter Bild geschaffen, gespickt mit Cartoons und wichtigen Sätzen. Die Resonanz war sehr positiv. Auch von den Referenten, die sich für meine Arbeit interessierten. Prof. Dr. Rafael Popper vom VTT in Finnland schrieb in einer Email an mich:

Dear Wolfgang, Many thanks for the excellent visualization of my talk! I really liked it 🙂 Best regards, Rafael.

Prof. Dr. Rafael Popper

Besonders gefreut hat mich auch Herr Klaus Uckel von der DLR, der in seinem Vortrag am Ende des Tages auf viele Elemente des Bildes spontan Bezug nahm.
Gerne würde ich jetzt im Nachhinein mit allen Vortragenden sprechen, ob ich den Kern des Themas richtig getroffen habe. Ich werde es wohl nie erfahren.

all-fake
selbst hier war der blonde Mann präsent
Maskottchen
das Maskottchen der FAU

Von Dr. Wolfgang Irber

Wolfgang ist Illustrator im B2B-Bereich und überzeugter Surface-Pro-User. Er visualisiert Visionen & Strategien, leitet und illustriert Workshops, begleitet Führungskräfteseminare, unterrichtet Sketchnoting und erklärte die kreative Nutzung eines Surface in Kursen.
Sein wichtigste Arbeitsmittel ist immer der Stift. Ob auf Papier oder digital auf seinem Surface. Im Blog, auf LinkedIn, Instagram, Twitter und Facebook berichtet er mit spitzem Surface Pen regelmäßig über ganz persönliche Erfahrungen aus der Welt der Illustration und der Digitalisierung.